Hallo ihr Lieben,


 

Davon, was Schaukeln, Eier und Chicha mit Todos Santos zu tun haben ?!

Ihr fragt euch bestimmt, was es denn von Allerheiligen soo Spannendes zu erzählen gibt? Aber da kennt ihr die bolivianische Kultur schlecht. Hier ist wohl eher von einer fünftägigen Feier die Rede. Und zwar wirklich fiesta! Ich habe das ganze Wochenende kein trauerndes Gesicht gesehen. Statt einer Trauerfeier für die Toten, wird hier gefeiert, dass die Toten jetzt im Himmel sind. Und dazu wird wirklich jeder Prunk geboten.

Der Friedhof – mal ganz anders als in Deutschland

Angefangen hat alles am Freitagabend mit einer Messe auf dem Friedhof. Ach ja, ich sollte vielleicht noch erklären, wie überhaupt so ein Friedhof ausschaut in Bolivien. Der ähnelt nämlich überhaupt nicht dem deutschen Friedhof. Man findet hier eher ein kleines Dorf. Jeder, bzw. die Familie gemeinsam, kauft sich noch zu Lebzeiten ein Haus. Naja, Haus ist übertrieben. Es schaut aus, wie so eine kleine Hütte aus Stein. Dort sind dann die Toten in Särgen aus Stein zu finden – oberhalb der Erde. Im ersten Moment haben wir noch gar nicht verstanden, dass wir uns auf einem Friedhof befinden. Das ähnelt wirklich zu sehr einem Miniatur-Dorf. Und was noch viel komischer war, war zu wissen, dass sich jeder Bolivianer noch zu Lebzeiten sein eigenes Haus und auch Grab baut. Jeder kann dann genau sagen, dass er nach seinem Tod hierher gebracht wird. Irgendwie fände ich diese Vorstellung gruselig.

Auf jeden Fall haben sich alle am Freitagabend zu einer Messe versammelt. Uns hat das ganze an Weihnachtsmarktstimmung erinnert. Die Hütten, die Dunkelheit, die Fröhlichkeit, der Punsch (eine Mischung aus Alkohol, Milch und Zucker, aber echt lecker!). An diesem Abend haben sich alle fröhlich zwischen den Gräbern versammelt, getratscht und getrunken. Aber der Hauptakt ging dann erst am Samstag los. Vor jedem Grab und in jedem Haus wurde ein Tisch aufgebaut. Natürlich nicht so ein langweiliger Tisch, sondern so geschmückt, dass man den Tisch schon gar nicht mehr erkannt hat. Da fanden wir neben haufenweise Brot und Keksen auch Früchte, Süßigkeiten, Bonbons, Fähnchen, Girlanden … Einfach alles, was einen Tisch noch bunter machen kann. Aber das Wichtigste war das Gebäck. Das war nämlich immer die Gabe, die die Familie dem Volk gab, wenn es betete. Das alles hat ein bisschen an Halloween erinnert. Man ist also mit seiner Tüte von einem Grab zum anderen gelaufen und hat gebetet – drei Vater Unser und drei Ave Maria. (Auf spanisch zu beten ist für uns jetzt auf jeden Fall kein Problem mehr!).

Prunk über Prunk

ein Häuschen am Friedhof

geschmückter Tisch

 

Als Dankeschön, dass man für den Verstorbenen nun gebetet hat, hat man Kekse und meistens eine Schale Chicha bekommen. Und so ging das dann die nächsten drei Stunden. Danach hatten wir auf jeden Fall das Brot für die nächsten fünf Wochen, naja Monate, zusammen. Und auch ein paar Süßigkeiten und Früchte hatten wir ergattert. Mmh lecker! Ich glaube, zu sechst hatten wir dann fünf Tüten und einen kompletten Sack voll Gebäck. Ihr könnt euch denken, was jetzt zurzeit unsere Lieblingsbeschäftigung ist… genau, Essen! Insgesamt hat der ganze Nachmittag echt Spaß gemacht. Die Stimmung war einfach fröhlich, alles war voller Leute, und wir hatten auch richtig tolle Begleitung. Wir hatten nämlich Besuch aus Cochabamba. Mit dabei waren die anderen zwei Freiwilligen, Anna und Nadja, sowie Marko, ein Freund, und Doris, unsere Mentorin. So konnte der Nachmittag ja nur noch lustiger werden?

ausgestattet – mit 5 Tüten und Nudelsack voller Brot…

Unsere Ausbeute, Mmh lecker!

 

Noch lustiger wurde es aber am Sonntag als es dann hieß: alle Frauen auf die Schaukeln! Was das mit Todos Santos/Allerheiligen zu tun hat, ist uns auch noch nicht so klar. Dadurch soll man anscheinend den Verstorbenen näherkommen. Wobei nur die Frauen fliegen dürfen?! Aber was auch immer das für ein Brauch ist, wir hatten unseren Spaß. Also wurden überall im Dorf Schaukeln aufgehängt; wie aus Bilderbüchern! Und vor der Bergkulisse hat das natürlich noch einmal um einiges mehr gewirkt! Das war wirklich super. Und Dank unseren super Begleiter sind wir auch richtig hoch geflogen (hier ein großes Dankeschön an Marko und Don Pastor!). Es ist nämlich Aufgabe der Männer, die Frauen anzuschubsen. Die armen Männer… Aber wir haben´s genossen?. Lustig dabei ist außerdem, dass im Baum Körbe mit Eiern aufgehängt werden. Die Frauen müssen nun versuchen, diese mit den Füßen herunterzuholen, was aber echt nicht leicht ist. So wurde der Nachmittag auf jeden Fall richtig schön und wir hatten super Erlebnisse! Hier noch ein paar Bilder vom Schaukeln:

einmal im Leben wie Heidi fühlen 🙂

 

Juhu, Schaukeln!

 

Wie man hoffentlich sieht, es war auf jeden Fall lustig!

 

 

Endlich, Puerta abierta!

Amelie und ich <3

Mittlerweile haben wir in der puerta abierta angefangen. Jeden Nachmittag verbringen wir nun dort unsere Zeit mit Spielen, Basteln, Häkeln oder einfach nur Ratschen. Wie der Name – offene Tür – schon sagt ist der Raum den ganzen Nachmittag geöffnet. Die Kinder dürfen kommen und gehen wann sie wollen. Von Brettspielen über Puppen bis zu Tischtennis und Kicker ist dort alles vorhanden. Dann können sich die Kinder richtig austoben. Das einzige, was fehlt, ist die Gestaltung des Raumes. Letztes Jahr wurde hier gestrichen und somit alle Bilder, gebastelten Dinge… abgehangen. Zurzeit schaut der Raum deswegen eher wie ein Klassenzimmer aus und es ist dringend Bedarf an neuen Dingen. Das haben wir uns jetzt zur Aufgabe gemacht und uns vorgenommen, wieder Pep und Schwung in die puerta abierta zu bringen. Ich glaube mal, innerhalb von 10 Monaten sollte man noch viel schaffen?

 

Evo bringt mal wieder alles durcheinander…

Glückwunsch Evo! Oder auch nicht? Wie schon zuletzt berichtet, fanden dieses Jahr Präsidentschaftswahlen statt. Und seitdem ist einiges passiert. Evo ja, Evo nein, Evo ja…. Ja diese Nachrichten kommen täglich hier an. Und ich habe das Gefühl, es hat keiner einen Plan, was denn eigentlich abgeht. Wie soll man auch durchblicken können, wenn stündlich Nachrichten von neuen Lügen, Verbrechen und Freveln veröffentlicht werden? Momentan kann ich bloß sagen, dass Evo wohl offiziell nicht gewonnen hat. Aber es heißt immer: „Naja, er wird es schon so hinbiegen, dass er am Schluss gewinnt.“ Und das wird er wohl wirklich schaffen. Da Evo, der Favorit aller Kokabauern, die ländliche Bevölkerung aufruft, keine Lebensmittel zu liefern, hat er momentan wirklich die Macht in der Hand. In der Stadt kommen schon jetzt immer mehr Versorgungsprobleme auf, die Preise rauschen in die Höhe, und die Märkte bleiben geschlossen. Was das für Auswirkungen hat, kann man sich ja denken… Vor allem in Santa Cruz, aber auch Cochabamba, ist einiges passiert. Die Schulen, Märkte und offiziellen Plätze sind alle geschlossen. Wobei momentan wohl auch keiner freiwillig in die Nähe solcher Orte geht, bzw. es unmöglich ist, dorthin zu gelangen. Der Verkehr ist völlig lahmgelegt und es fahren keine öffentlichen Verkehrsmittel. Überall trifft man auf Blockaden, gewalttätige Gruppen und Proteste. Nicht selten hört man dann auch von Einsätzen mit Tränengas, Ausschreitungen mit Feuerfackeln und reihenweisen Verletzten. 6 Tote soll es wohl auch schon geben. Vor allem für die anderen Freiwilligen, die dort in den Städten arbeiten, ist die Situation sehr angespannt. Man sollte sich als Ausländer wohl lieber erst gar nicht in der Nähe solcher Blockaden aufhalten. Was heißt, dass man eigentlich Tag und Nacht im Haus bleiben muss. Die zwei aus Santa Cruz haben jetzt seit 3 Wochen „Ferien“, was natürlich nach einer Zeit auch alles andere als lustig ist. Vor allem, wenn man bedenkt, dass ein Gang zum Markt unmöglich ist, es einfach langweilig ist, und Evo davon redet, Strom- und Wasserhahn abzudrehen. Ist ja nicht so, dass die Situation in den Städten so schon schlimm genug ist… Gestern kam die Nachricht, dass jetzt wohl auch die Polizei dichtmacht. Das wäre natürlich eine Katastrophe, da die Proteste dann absolut außer Kontrolle geraten…
Naja, ich sollte vielleicht eher von unserer Situation hier in Independencia erzählen. Aber keine Angst, hier ist alles friedlich. Wir haben – bis jetzt – noch keinerlei Probleme gehabt. Vor allem wahrscheinlich auch deswegen, weil die ländliche Bevölkerung zum Großteil Evo-Fan ist. Aber das soll mir jetzt gerade mal Recht sein.
Jetzt sind wir auf jeden Fall mal gespannt, wie die Situation so weitergeht. Offiziell sollte es ja zu Stichwahlen kommen im Dezember. Der Abstand der ersten zwei Präsidenten ist nämlich geringer als 10 %. Aber so wie es momentan ausschaut, schafft es Evo wohl doch wieder, zum Präsidenten zu werden, bevor es zu zweiten Wahlen kommt?! Ich halte euch auf dem Laufenden:)

 

Auch so geht es uns hier echt gut. Mittlerweile haben wir unseren richtigen Alltag schon gefunden und leben so gemütlich vor uns hin. Die Zeit rennt so schnell dahin. Nur noch drei Wochen Schule und dann sind 2 Monate Ferien! Dann heißt es für uns, das Internat mit zu putzen, Matratzen auszuklopfen, Puppenkleider zu nähen, bzw. die kaputten Puppen des Kindergartens zu flicken, und noch vieles mehr. Und dann natürlich nicht zu vergessen, das Reisen! Momentan sind wir schon am Planen, Rätseln, Googeln… Ich hoffe, bis dahin hat sich die Situation in den Städten beruhigt, sonst können wir unsere ganzen Reisevorhaben in den Wind blasen. Aber wir hoffen jetzt einfach mal das Beste!

 

Wer noch mehr über das Leben hier in Bolivien erfahren will, kann gerne auch die Blogs der anderen Freiwilligen lesen:

meine Mitfreiwillige Amelie: http://ameliegrimm.ayopaya.de
Nadja aus Cochabamba: http://nadjaincocha.home.blog
Anna aus Cochabamba: http://annaruf.ayopya.de

 

Hier noch ein Bild von Lamas, die wir letztens gesehen haben! Echt knuffig <3

 

 

Ganz liebe Grüße aus Independencia
Sophia